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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 9 A 2477/04
Rechtsgebiete: GebG NRW
Vorschriften:
GebG NRW § 8 Abs. 1 Nr. 5 |
2. Übt eine Einrichtung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GebG eine "Mischtätigkeit" aus, d.h. eine solche, die neben kirchlichen Zwecken i.S.d. § 54 AO auch anderen Zwecken dient, ist Voraussetzung für die persönliche Gebührenfreiheit, dass die betreffende Tätigkeit überwiegend, d.h. zu mehr als 50 %, in den von § 54 AO erfassten Bereich fällt.
Tatbestand:
Die Klägerin wandte sich mit der Begründung, sie sei als Kirche gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GebG NRW von Verwaltungsgebühren befreit, gegen die Festsetzung von Gebühren u.a. für die Erteilung einer Baugenehmigung. Das VG gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das OVG die Klage ab.
Gründe:
Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung sind die §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 13 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 GebG in der hier maßgeblichen, seit dem 14.7.1999 geltenden Fassung (GV. NRW. S. 524) i.V.m. § 1 AVwGebO und dem hierzu erlassenen Allgemeinen Gebührentarif (AGT) in der Fassung der 22. Änderungsverordnung vom 9.5.2000 (GV. NRW. S. 434). § 8 Abs. 1 Nr. 5 GebG greift nicht zugunsten der Klägerin ein. Nach dieser Vorschrift sind von Verwaltungsgebühren befreit die Kirchen und die Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts, soweit die Amtshandlung unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke i.S.d. § 54 der Abgabenordnung dient. Allerdings unterfällt die Klägerin dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5 GebG. Gemäß § 4 des Gesetzes betreffend ihre Errichtung (GV. NRW. 1976, S. 264) gelten nämlich die landesrechtlichen Vorschriften für Religionsgemeinschaften, die den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, auch für sie.
Die weitere Voraussetzung für eine Gebührenfreiheit, dass die Amtshandlung unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke i.S.d. § 54 AO dient, ist hingegen nicht erfüllt. Kirchliche Zwecke i.S.d. § 54 AO sind nach dessen Abs. 2 insbesondere die Errichtung, Ausschmückung und Unterhaltung von Gotteshäusern und kirchlichen Gemeindehäusern, die Abhaltung von Gottesdiensten, die Ausbildung von Geistlichen, die Erteilung von Religionsunterricht, die Beerdigung und die Pflege des Andenkens der Toten, ferner die Verwaltung des Kirchenvermögens, die Besoldung der Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendiener, die Alters- und Behindertenversorgung für diese Personen und die Versorgung ihrer Witwen und Waisen. Die kirchlichen Zwecke lassen sich demgemäß in einen Kultusbereich, den Verkündigungs- und Unterweisungsbereich sowie den Organisations- und Verwaltungsbereich der Kirchen unterteilen.
Vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 110. Ergänzungslieferung, September 2006, § 54 Rdnr. 2.
Im Fall der Klägerin kommt von den genannten Zwecken ersichtlich lediglich die Verwaltung des Kirchenvermögens oder die Alters- und Behindertenversorgung der Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendiener und damit der Organisations- und Verwaltungsbereich der Kirchen in Betracht. Die Tätigkeit der Klägerin kann keinem der genannten Bereiche zugeordnet werden. Bei ihr handelt es sich um eine "Mischtätigkeit", die nur dann als kirchlichen Zwecken dienend anerkannt werden könnte, wenn sie überwiegend, d.h. zu mehr als 50 %, in den von § 54 AO erfassten Bereich fiele.
Vgl. Susenberger/Weißauer, Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand: Oktober 2003, § 8 Rdnr. 14;
Das ist nicht der Fall. Nur ein geringer Teil ihrer einheitlichen Tätigkeit entfällt auf den kirchlichen Bereich, während der weit überwiegende Teil gemeinnützige und caritative Aufgaben betrifft. Solche Aufgaben der Kirchen werden jedoch nicht von § 54 AO erfasst.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.1.2004 - 9 A 4608/02 -, juris.
Nach dem vorliegenden Aktenmaterial sowie mit Blick auf den eigenen Vortrag der Klägerin lässt sich weder feststellen, dass sie überwiegend die Alters- und Behindertenversorgung von Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendiener, noch, dass sie überwiegend die Verwaltung von Kirchenvermögen betreibt. Schon nach den Satzungsbestimmungen der Klägerin ist nichts dafür erkennbar, dass ihre Aufgabe die Sicherstellung und Gewährleistung zusätzlicher Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung vornehmlich für Geistliche, Kirchenbeamte und Kirchendiener wäre. Das gilt zunächst mit Blick auf § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung (in der insoweit maßgeblichen Fassung vom 18.12.1985, zuletzt geändert durch die 23. Änderung der Satzung vom 20.9.1998), wonach neben Beschäftigten des kirchlichen diejenigen des kirchlich-caritativen Dienstes stehen. Das ergibt sich im Übrigen aus § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung. Danach können neben juristischen Personen des öffentlichen Rechts aus dem Bereich der katholischen Kirche zivilrechtlich verfasste Rechtsträger katholischer Einrichtungen oder Verbände unter Einschluss des kirchlich-caritativen Dienstes Beteiligte der Kasse sein. Der aus der Satzung gewonnene Eindruck wird bestätigt durch den Vortrag der Klägerin. Im Jahre 2000 hatten sich ihr nur 6.351 Kirchengemeinden, Klöster und Ordensgemeinschaften mit 37.269 Pflichtversicherten angeschlossen. Diesen standen 9.580 Einrichtungen mit überwiegenden Verwaltungsaufgaben, Kindergärten und ähnliche Einrichtungen, Krankenhäuser sowie andere caritative und Bildungs-Einrichtungen gegenüber, denen 320.369 Beschäftigte zuzuordnen waren. Selbst wenn man - wofür wenig spricht - zugunsten der Klägerin Einrichtungen mit überwiegenden Verwaltungsaufgaben sowie Kindergärten u.ä., vgl. insoweit OVG NRW, Beschluss vom 16.1.2004 - 9 A 4608/02 -, a.a.O., zu den Kirchengemeinden etc. hinzurechnen wollte, beliefe sich das allein entscheidende Beschäftigtenverhältnis auf 107.388 Personen im kirchlichen Sektor zu 250.250 Personen in den übrigen Bereichen.
Ließe man demgegenüber ausreichen, dass die Klägerin zu einem nicht unwesentlichen, aber untergeordneten Teil ihrer Tätigkeit die Alters- und Behindertenversorgung für Geistliche, Kirchenbeamte und Kirchendiener betreibt, führte dies zu einer Bevorzugung bei einer Aufgabenerfüllung, die in gleicher Weise von anderen (nicht gebührenbefreiten) Organisationen wahrgenommen werden (könnte). Für eine derartige Privilegierung besteht, auch mit Blick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), kein sachlicher Anlass.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.1.2004 - 9 A 4608/02 -, a.a.O.
Die Klägerin befasst sich auch nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 AO mit der Verwaltung von Kirchenvermögen. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid ist insoweit davon auszugehen, dass sie das Gebäude seit Januar 2000 bis Mai 2004 ausschließlich zu eigenen Zwecken genutzt hat. Demgemäß steht eine etwaige Vermietung hier der Annahme der "Verwaltung von Kirchenvermögen" nicht entgegen. Allerdings stellt das von der Klägerin verwaltete Treuhandvermögen jedenfalls nicht überwiegend Kirchenvermögen dar, weil es unabhängig davon, ob mit ihm satzungsmäßige Verbindlichkeiten oder aber Verwaltungskosten gedeckt werden sollen, letztlich im Interesse der versicherten Arbeitnehmerkreise bzw. ihrer Angehörigen geführt und ausgekehrt wird. Dieser Personenkreis setzt sich, wie zuvor beschrieben, zumindest nicht überwiegend aus Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendienern zusammen.
Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Das gilt zunächst für ihren Hinweis auf die Befreiung von Gerichtsgebühren und bestimmten Steuerarten. Eine derartige Befreiung erweist sich im hier zu beurteilenden Zusammenhang als nicht aussagekräftig. Insbesondere entfaltet die steuerrechliche Anerkennung der Klägerin als ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten kirchlichen Zwecken i.S.d. §§ 51 ff. AO dienend keine Bindungswirkung hinsichtlich der persönlichen Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 GebG. Die Gesetzesformulierung lautet "soweit die Amtshandlung unmittelbar ... dient", nicht aber "die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie steuerlich i.S.d. §§ 51 ff. AO anerkannt sind".
Das klägerische Vorbringen, die katholische Kirche habe mit ihrer Einrichtung überwiegend kirchliche Zwecke verfolgt, auch die soziale Absicherung von Mitarbeitern der mit der Kirche eng zusammenarbeitenden Dienste sei eine Aufgabe der Kirche, verfängt ebenfalls nicht. Insoweit wird nicht - wie erforderlich - danach unterschieden, ob es sich lediglich um eine kirchliche Aufgabe oder - nur darauf kommt es hier an - um einen kirchlichen Zweck i.S.v. § 54 AO handelt. Nicht zu folgen ist dem Argument der Klägerin, das Dienen kirchlicher Zwecke folge aus ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Träfen diese Überlegungen zu, wäre jede Amtshandlung, die im Bereich kirchlicher Aufgabenwahrnehmung anfiele, gebührenfrei. Solche Aufgabenwahrnehmungen werden immer auch vom kirchlichen Selbstverständnis getragen sein. Eine derart weit reichende Gebührenbefreiung entsprach nicht der gesetzgeberischen Zielsetzung.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.1.2004 - 9 A 4608/02 -, a.a.O.
Die weitere Erwägung der Klägerin, das Bilden von Rückstellungen und Sondervermögensmassen für Zwecke des § 54 AO bedinge nicht die Einbuße der Eigenschaft als kirchliches Vermögen, überzeugt auch nicht. Sie übersieht, dass zunächst die Eigenschaft als Kirchenvermögen im bejahenden Sinne beantwortet werden muss, bevor über das Schicksal von Rückstellungen und Sondervermögensmassen befunden werden kann. Ist aber, wie hier, der Begriff Kirchenvermögen zu verneinen, so vermögen Rückstellungen und Sondervermögensmassen, die im Zusammenhang mit derartigem Vermögen gebildet werden, nicht zu dessen Eigenschaft als Kirchenvermögen zu führen.
Das Urteil des erkennenden Gerichts vom 22.1.1979 - 2 A 1065/78 - unterstützt die Sichtweise der Klägerin ebenfalls nicht. Nach Auffassung des Gerichts lag überwiegend eine Amtshandlung auf dem Gebiet der religiösen Bildung und damit eine unmittelbare Förderung kirchlicher Zwecke vor. Anders als im damals vom erkennenden Gericht entschiedenen Fall dient die hier streitige Baugenehmigung gerade nicht überwiegend der unmittelbaren Durchführung kirchlicher Zwecke. Insofern stellt sich die Frage nicht, ob die Klägerin ihre Leistungen gleichsam nebenbei und untergeordnet für andere als von § 54 Abs. 2 AO erfasste Bereiche zur Verfügung stellt.
Die Betrachtung des VG Aachen in seinem Urteil vom 9.1.1990 - 2 K 1617/88 - überzeugt im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls nicht. Das Verwaltungsgericht hat seinerzeit angenommen, der Erwerb von Grund- stücken und die Herstellung von Gebäuden zum Zweck der Vermietung sei zumindest dann als vorbereitende Tätigkeit zur Vermögensverwaltung und damit als Vermögensverwaltung anzusehen, wenn die Vermögenseinkünfte ausschließlich den steuerbegünstigten Zwecken der Körperschaft zugeführt würden. Diese ebenfalls in einem Fall der Klägerin getroffene Bewertung geht nicht, wie erforderlich, der Frage nach, für welchen Personenkreis das Vermögen letztlich verwendet wird. Darüber hinaus erweitert sie den Kreis der persönlichen Gebührenfreiheit entgegen dem Willen des Gesetzgebers auf Fallgestaltungen, in denen nicht überwiegend kirchliche Zwecke verfolgt werden.
Bedenken gegen die Festsetzung der Gebühren - soweit der Beklagte seinen angefochtenen Bescheid nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teilweise aufgehoben hat - sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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